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Gastbeitrag vom Captain: Was sind Sinn und Zweck von CTS und Pilotage?


Westtonne "Libenter" in der Einfahrt nach Aberwrac'h


Ich würde das so sagen: CTS (Course to Steer oder Steuerkurs oder auch Kompasskurs) und Pilotage dienen dem Navigator, damit er weiss, wann er wo ist und welche Stromverhältnisse dort herrschen. Mit Pilotage und CTS hat der Navigator die relevanten Werkzeuge in der Hand, da er und der Rudergänger verschiedene Sichten haben. Der Navigator interpretiert die Seekarte und der Rudergänger erfährt die Elemente draussen real und konzentriert sich auf Kurs und die unmittelbaren Ereignisse und reagiert auf Gefahren vor dem und rund um das Schiff (bei Einhandseglern unisono und bei zweihand segelnden Paaren sind die Rollen zwecks Redundanz auf beide Partner zugeteilt). Denn wenn gute Verhältnisse herrschen, können alle navigieren … dagegen wenn es kühl, feucht oder auch nass ist, dann kommen die Vorteile einer Pilotage erst richtig zum Tragen.

Für Aussenstehende sowie für Boote, die in die gleiche Richtung segeln oder motoren, kann es sehr speziell aussehen, warum wir einen Kurs Richtung Land steuern oder auch in der Mitte eines Fahrwassers verschiedenste Kurse steuern.

Die Antwort auf diese Fragen geben Gezeitenatlas und Seekarte. Bei einem hohen Tidenhub und Flut oder Nipptide kann ich hier im Fahrwasser analog Mittelmeer navigieren. Ich brauche nur einen grossen Geldbeutel und einen starken Motor, dann kann ich überallhin und zu jeder Zeit. Die Realität sieht im Normalfall anders aus.

Der Gezeitenatlas gibt mir die nötigen Angaben, damit ich weiss, wann mich der Strom unterstützt und ab wann ich im Prinzip «zur falschen Zeit am falschen Ort» bin, was ich mit allen mir zur Verfügung stehenden Kräften vermeiden will.

Das Kochbuch für einen CTS und eine Pilotage stammt von der UKSA, der Segelakademie mit dem weltweit anerkannten Namen für Garant hoher Professionalität und Qualität.

  1. Ich zeichne meinen gewünschten Kurs in die Seekarte mit Start- und Endpunkt ein.

  2. Wie lange benötige ich bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit, um diese Strecke zu durchsegeln?

  3. Wohin treibt mich der Strom auf dieser Strecke? Je Stunde weiss ich gemäss Gezeitenatlas, wohin der Strom auf meiner Strecke fliesst.

  4. Hierzu nehme ich ein Pauspapier (eine günstige Alternative ist Backpapier aus der Pantry) und zeichne darauf meine Strecke im Massstab des Gezeitenatlas.

  5. Je Stunde trage ich nun den Strom in Stärke und Richtung im Pauspapier für die gesamte Strecke ein. Somit weiss ich den vollständigen Strom von Beginn bis Ende meiner Strecke.

  6. Die Summe aller Ströme und Richtungen trage ich auf dem Pauspapier ein und zwar am Ausgangspunkt meiner Strecke.

  7. Die Anzahl Stunden aus dem Gezeitenatlas nehme ich und multipliziere sie mit meiner Durchschnittsgeschwindigkeit durchs Wasser. Nun nehme ich diese Distanz in den Kartenzirkel und dort, wo sich meine Strecke mit dem Kartenzirkel schneidet, markiere ich den Schnittpunkt.

  8. Vom Endpunkt meines Stromes zeichne ich nun die Linie bis zum soeben ermittelten Schnittpunkt. Dieser Kurs ist nun mein Steuerkurs «true».

Nun ist mein CTS für meine Passage definiert. Ich kontrolliere nur noch, ob mein CTS über Gefahrengebiete gemäss Karte führt.

Die Umwandlung Kartenkurs «true» zu Kompasskurs ist nun noch zu tun sowie Windabdrift etc.


Eine Pilotage ist nun noch für einen mir unbekannten Hafen oder ein Fahrwasser mit Gefahrenzonen zu erstellen. Je einfacher es ist, eine Pilotage zu erstellen, umso mehr wird das Verfahren angewendet.

Auch hier gibt es zahlreiche Methoden, eine Pilotage zu erstellen.

Ich favorisiere die Folgende:

  • Man nehme ein Klarsichtmäppchen und ein Blatt Papier und beginne von unten.

  • In der Mitte schreibe ich Kurs missweisend mit Distanz und Tiefe bei Bedarf.

  • Links und rechts schreibe ich die «Story» oder den Film, der während meiner Einfahrt ablaufen wird. Die Angaben entnehme ich entweder dem Hafenhandbuch oder der Seekarte.

  • Das Werk lege ich dann in das Klarsichtmäppchen.

  • Während der Durchfahrt streiche ich nun jedes Ereignis wie Tonnen, Kardinalzeichen, Peilungen etc. ab, wenn es vorbei ist.

  • Am Schluss, wenn ich alles abgestrichen habe und das Fahrwasser ohne Schaden durchfahren oder die Einfahrt im Hafen erreicht habe, kann ich das Protokoll mit den abgestrichenen Ereignissen löschen und für den nächsten Einsatz aufbewahren. Indem ich alle Kursangaben plus 180° addiere kann ich die Pilotage auch in der Gegenrichtung verwenden.

CTS und Pilotage sind das tägliche Brot eines Navigators in Gezeitengewässern wie bspw. der Bretagne.

Wer diese Werkzeuge als altmodisch oder überflüssig beurteilt, den frage ich, wie er dann navigieren will, wenn er plötzlich von einer Nebelbank umgeben ist oder eine Sicherung vom elektronischen Navigationsbus durchgebrannt ist und keine elektronischen Navigationsinstrumente wie Kartenplotter funktionieren.

Dann kommen die bekannten und fast immer zuverlässigen Hilfsmittel wie Echolot, Uhr, Log, Handpeilkompass und Gehör zum Einsatz. Ein schönes Beispiel ist hier unten für die Einfahrt in den Golf von Morbihan dargestellt.


Pilotage Einfahrt Golf von Morbihan

Hier folgt ein «wüstes» Beispiel aber mit korrekten Inhaltsangaben. Auch diese Pilotage Darstellung hat uns in die Marina von Aberwrac’h geführt. Die Methode kann auch von grafologischen und zeichnerischen Banausen angewendet werden. Wichtig ist der Inhalt. Die Darstellung ist sekundär.


Pilotage Einfahrt nach Aberwrac'h


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